Kein Artenschutz
für Worte
auf der Abschussliste.
Die Treiber klopfen
auf den Busch mit Sprüchen,
verscheuchen leise Laute
mit Geschrei.
In Zwischentönen
überwintern sie,
misstrauen Jägers lockendem Latein
und seinem Märchen
von der Flint im Korn.
Zu Hause lungert
noch der Morgen
vor halbleerer Tasse,
überflogenem Journal,
gefüllt mit Fußball, Auto,
Ekel, pfiffigem Elan.
Pflock den Feierabend an!
Streich Weisungen
aus Aug und Stirn!
Verharre still vor Hasenkeule,
bei Pfeife, Bier
und Tagesschauer.
Verschnauf!
Die Jagd geht morgen weiter,
Spurensuche
auf der Fährte
der waidwunden Welt.
Redensarten meiner Liebe
nachts, ohne Lichter,
im Boot der Bedeutung
zur Fahrt gerüstet
in Hoheitsgewässer
der Zukunft.
Schreibmaschinen blättern
errötend
in Erklärungen an Majie.
Erbetener Segen:
Geh Hand in Hand
mit meiner Rede
zum Hafen, zum Fang!
Schneide ab das Wort
dem fauchenden Fisch,
und die schwarzen Laute
zerstampf
mit dem Fuß!
(Nach einem Text von Ernst v. Salomon, in: „Glück in Frankreich")
(zum Jahrtausendwechsel)
Im Kaffeegrund
versinken die Orakel,
und die Propheten widerrufen
Wort für Wort.
Dreh dich nicht um!
Zu spät, um nachzukarten!
Was heute zählt, harrt
auf dem Kerbholz
scharfer Klinge.
Es sind der Scharten viele,
viele ungewetzt.
Im Garten ein Sofa
plüschversonnen
zeitvergessen
eingesponnen.
Daraus sprießt Petersilie
und Majoran und Lilie
und eine Feder
rausgesprungen
die sinnt
im Wind
was längst verklungen.
Über dem Giebel
reißen Wolken sich los
vom Kamin,
finden das Weite.
Unten im Hof
hält ein Streit
den Atem an,
stockt eine Schmach.
Libellenstille.
Kannst du dein Wort
im Mund behalten,
solang das Lamm
am Himmel geht?
Nach Mitternacht
fällt dein Gesicht,
gerät beim letzten Tanz
dein
Lachen
aus
dem
Tritt.
Du hast gewusst,
dass die Musik
den Kehraus spielt
schon
seit
dem
ersten
Takt.
ICH hab gehobelt,
doch ich
hinterlasse keinen Span.
Dort, wo mein Licht glänzt,
fällt kein Schatten.
Und wem ich eine Grube grab,
leg ich hinein.
ICH lasse Lug und Trug
auf hohen Stelzen gehen,
hack anderen Krähen
beide Augen aus
und kehr an einen Tatort
nie zurück.
ICH sehe so mein Unrecht Gut gedeihen,
mein Gras klammheimlich drüber wachsen.
Und was zum Himmel stinkt,
stört’s mich auf Erden?
ICH hab zuerst gelacht –
ICH lach so weiter!
Im Vorratsschrank
fehlt manche Tasse.
Kein Deckel mehr für jeden Topf.
Worthülsen rosten im Besteck,
nicht mehr der Rede wert.
Weinwahrheit ist versiegt,
verkorkt die Lese letzten Herbsts.
Im Müll ein sperriger Gedanke,
schon bald entsorgt.
Wortschatz im Uferlosen,
gleich nach der Redewindung
vor dem Schwall,
wo sich Gedankengänge
überschneiden.
Vor Zungenbrechern
wird gewarnt,
wenn dir die Ohren
unterm Tonfall klingen.
Am Kreuzwort
lauert lechzend längst
der Reißwolf
zwischen leeren Zeilen.
Nur die Umschreibung
führt an ihm vorbei.
Laute verwundet.
Silben vermisst.
Sterbensworte
für mundtot erklärt.
Gedankensplitter im Kopf.
Inoperabel.
Papierkriegserklärung:
Ab sofort wird
zurückgeschrieben.
Vorgeschoben:
Schwerstes Geschwätz.
Im Angriff jetzt:
Schlammheimliche Schwadrone.
Für Federleser
schlechte Zeiten.
Befangene erhalten
kein Pardon.
Vorzimmersilben fordern:
Holzfrei denken!
Halbwahrheit sagt sich danach
wie gedruckt.
Begradigt werden
auf dem Dienstweg Lebensläufe.
Nasführungszeichen
leiten durch das Labyrinth.
Im Sprung von Satz zu Satz
verliert die Hand
den Faden.
Solang der Vorrat reicht
noch einmal reduzierte Worte,
dazu den Schlussreim
gratis heut
im Sparpaket.
Jetzt noch die letzten Verse,
auch Einsilbiges
für den Gedanken zwischendurch.
Wir räumen auf
mit Aussage und Gegenstand,
verscherbeln gründlich
Satz für Satz
zum Schleuderpreis.
Dazu die Restbestände
Wort für Wort
auf Punkt und Komma
kalkuliert.
Und in die leergefegten Lager
rückt schneidig ein
die neue Kollektion.
© Wilhelm Hasse 2001 E-Mail
Über Wilhelm Hasse | Lyrikverzeichnis | Forum | Verzeichnis