Rubén
Darío
Darío,
Rubén (eig. Félix R. García Sarmiento), geb. 18.1.1867 Metapa
(Nicaragua), gest. 6.2.1916 León (Nicaragua).
D.
wuchs bei einem Onkel in Nicaragua auf. Mit 14 Jahren schrieb er
seine ersten Gedichte, als Fünfzehnjähriger lernte er Rosario
Murillo kennen, mit der ihn bis zu seinem Tod eine Haßliebe
verband. Trotz seiner Bewunderung für die französischen
Parnassiens gingen seine frühen Gedichte von den spanischen
Romantikern (Becquer, Campoamor) aus. Die Gedichte von Azul
entsprachen bereits einer neuen Ästhetik: mit ihren
überraschenden Rhythmen und klangvollen Worten, mit ihrem
herausfordernden Ton und ihrer Sinnlichkeit war der
«Modernismus» geboren. Der frühe Tod seiner ersten Frau
stürzte D. in eine schwere Krise, aus der er in den Alkohol
flüchtete. Zur Heirat mit Rosario Murillo gezwungen, reiste er
1893 als Konsul von Kolumbien über Paris wo er den
Symbolisten begegnete nach Buenos Aires. Dort fand er den
idealen Rahmen für seinen «Modernismus»: literarische
Polemik, Luxus, Kosmopolitismus. Die jungen Dichter feierten
ihn enthusiastisch als ihren Führer. In Los raros und Prosas
profanas formulierte er die theoretischen Prinzipien des
«Modernismus»: Freiheit und Selbstzweck der Kunst, Ablehnung
jeder literarischen Schule, Vorrang des Rhythmus, formale
Perfektion, Stilwille. Der «Modernismus» war der erste
selbständige literarische Ausdruck Hispanoamerikas, zugleich
sprengte er die postromantische Erstarrung, in der sich die
spanische Dichtung befand. D., der außerdem als Verfechter der
modernen europäischen und amerikanischen Dichtung auftrat, wurde
damit zum Anreger einer modernen spanischen Lyrik
(Villaespesa, Jiménez, Antonio Machado, Manuel Machado,
Valle-Inclán.
Von
1898-1914 führte D. als Journalist, Dichter und Diplomat ein
unstetes Leben in Europa. In diese Zeit des Ruhmes, der
Exzesse, der Freundschaften und Skandale gehören seine
bedeutendsten Werke: Cantos de vida y esperanza, El canto
errante. Die Vorliebe für das brillante Wort, die
rhythmischen Kühnheiten und die Sprachgewalt bleiben, doch der
Ausdruck wird tiefer und nüchterner, die Perspektive weiter.
Die Dichtung erscheint als Weg zur Erkenntnis, der Erotismus
als magische Vision der Welt. In Poema del otoño flossen
die beiden Ströme zusammen, die sein Werk bestimmten: der
Todesgedanke und der pantheistische Erotismus. 1914 kehrte D.
todkrank nach Nicaragua zurück.
Werke:
Lyrik:
Primeras notas: Epístolas y poemas, 1885; Abrojos, 87; Canto
épico a las glorias de Chile, 87; Rimas, 88; Azul, 88 (Lyrik und
Prosa; dt. ebs.); Prosas profanas, 96; Cantos de vida y
esperanza, 1905; Oda a Mitre, 06; El canto errante, 07; Poema del
otoño, 10; Canto a la Argentina, 10; Poesías completas, 52.
Prosa:
Los raros, 1893;
Peregrinación,
1901; Opiniones, 06; La vida de R. D. escrita por el mismo, 16;
Cuentos completos, 50.
Literatur:
V. Borghini: R. D. e il modernismo, 1955; R. de Garciasol:
Lección de R. D., 61;
B.
de Pantorba: La vida y el verbo de R. D., 67.
Artikel
von Genoveva Dieterich in: Literaturlexikon 20. Jahrhundert,
herausgegeben von Helmut Olles, Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek, 1971.