H. D.

Nie wieder wird der Wind

Nie wieder wird der Wind
dich so zärtlich umhegen,
nie wieder der Regen.

Nie wieder
werden wir dich hell leuchtend
antreffen in Schnee und Wind.

Der Schnee ist geschmolzen,
der Schnee ist weg,
und du bist fortgeflogen:

Wie ein Vogel aus unserer Hand,
wie ein Leuchten aus unserem Herzen,
so bist du weg.

Never more will the wind

Birnbaum

Silberstaub,
von der Erde aufgehoben,
höher als meine Arme reichen
bist du gestiegen,
O Silber,
höher als meine Arme reichen
stehst du uns massig gegenüber;

keine Blüte öffnete jemals
ein so unerschütterliches weißes Blatt,
keine Blüte schied jemals Silber
von solch seltenem Silber;

O weiße Birne,
deine Blütenbüschel,
dicht auf dem Ast,
bringen Sommer und reife Früchte
in ihren violetten Herzen.

Pear Tree

Pallas

Sie sagten:
sie ist hochmütig und fern und blind
in ihrem hohen Stolz,
doch nun, da mein Kopf in Gram
gebeugt ist, zeigt sie sich mir
nur liebenswürdig.

Wir haben Leben genommen, sagten sie
unbekümmert, nicht in einem Nebel
nach Dingen getastet, die nicht sind – 
die vielleicht sind, wenn du es so willst, aber blutlos –
warum Glück von den Toten erbitten?
und mein Herz blutete.

Ach, wüßten sie doch
wie Veilchen in seltsamem Feuer erstrahlen,
rot, violett und golden,
wie sie glänzen –
rot, violett und golden –
wo ihre Füße hintreten.

Pallas

 

Die amerikanische Dichterin H. D. (Hilda Doolittle) wurde 1886 in Pennsylvania geboren und verstarb 1961 in Zürich. Ihre ersten schriftstellerischen Versuche wurden von Ezra Pound ermutigt, der sie bei der einflussreichen Zeitschrift Poetry als »H.D., Imagiste« einführte. Mit Pound verband sie eine lebenslange Freundschaft. Zusammen mit ihrem Mann, Richard Aldington, gehörte sie zur kurzlebigen Gruppe der Imagists.
Diese Gedichte stammen aus Selected Poems of H. D., Grove Press, New York, 1957. 
Copyright © der Übersetzung Johannes Beilharz 2001.