Erinnerung an César Vallejo

      César Vallejo lernte ich 1937 in Paris kennen, an die genauen Umstände kann ich mich jedoch nicht erinnern. Jedenfalls war es in den Tagen des spanischen Bürgerkrieges und des Schriftstellerkongresses, der zuerst in Valencia und dann in Madrid, Barcelona und Paris stattfand, wo er geschlossen wurde. Ich erinnere mich an eine Reise nach Madrid, die ich zusammen mit Vallejo und seiner Frau unternahm (auch Marinello, Pita und Carpentier waren dabei). Nach meiner Rückkehr, während eines Aufenthaltes von vielleicht zwei Monaten, konnte ich ihn im Hôtel du Maine in der gleichnamigen Avenue bereits als Freund besuchen. Wir trafen uns außerdem gelegentlich abends in einem kleinen, sehr preisgünstigen Restaurant, das in der schmalen rue Champollion lag und nach ihr benannt war. Dieses Lokal existiert auch heute noch, wenn auch in modernisierter Form. Es gab dort russische Küche. Aus jener Zeit habe ich noch ein kleines Adreßbuch, das auch seine Adresse enthält, von ihm selbst mit Bleistift eingetragen.

      Ich war in Paris, als Vallejo starb. Ich nahm an seiner Beerdigung teil, an einem kalten und feuchten Morgen. Es war nicht das Paris "mit einem Platzregen", das den Dichter zufriedengestellt hätte. Es fiel ein andauernder Nieselregen, der einem bis in die Knochen ging. In der vorausgegangenen Nacht hatten wir in der Maison de la Pensée die Totenwache für ihn gehalten. Die Grabrede hielt Aragon, auf seinem Grab stehend.

       Vallejo war ein stiller, hagerer großgewachsener, Mann mit indianischen Gesichtszügen und dunkler, glatter Haut. Er nannte mich "negro", wie Angehörige meiner Rasse in seinem Lande scherzhaft-zärtlich genannt werden. Irgendwann hörten unsere Begegnungen auf, bis ich ihn dann dieses letzte Mal zum Friedhof von Montrouge begleitete. Sein Tod schmerzte mich sehr. Ich bin ein großer Bewunderer seiner dramatischen Gedichte. Ich habe großen Respekt für sein trauriges, aufrichtiges, uneigennütziges Leben in Hunger und Rebellion. Ich glaube an ihn und halte ihn für einen der größten Dichter unserer Sprache.

Nicolás Guillén

Diese Erinnerung stammt von der Rückseite des Buches César Vallejo, Poesía Completa, La nave des los locos, Premià editora s.a., Mexiko 1979. Deutsche Übersetzung von Johannes Beilharz.

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