ALBERTO BAEZA FLORES


KINDERLIEDER

                    für Elsa Julia

Du kannst mit der Welt spielen wie mit mir
- Nachthase, Reh in der Luft -
Noch kann ich für dich weinen, und meine Hand
hält den Schmerz auf wie ein gerechter Deich von Liebe.

               *

Alles, soweit die Laute reicht, ist dein.

— Diese freie, ruhende Glocke,
die vom Meer singend
zur Erde fällt wie eine Frucht.

Das Meer als Baum
erwartet dich
mit seinen blauen Blättern
in der Luft,
damit du ihm Namen gibst in deinen Spielen.

               *

Hört die Koralle den Wind?
Das Pferd die Wolke?
Und die geheime Rose
jene unsichtbare Musik,
die dich wie Meer und Welt umgibt?

Noch erkennst du mich nicht
im Zwielicht der Erde,
aber du träumst schweigend und ahnst
wie ein Ring den Himmel.
Dein Traum geht in meinen Traum über,
und es ist alles enthüllt.

               *

Ich hebe dein Pferd auf
hier, wo das Moos
mit meinem Leid wächst,
blau wie müde Tropen.

Es steht in meinem Herz
und sagt deinen Namen.
Durch es gehörst du mir noch.

Das kleine Pferdchen aus weichem Holz,
vielleicht ist es wie der Traum:
Schildwache der Tage voll Erinnerung,
der Wolken wie Vögel.

               *

Sieh deine Mutter an einsamen Stranden spielen
und meinen Namen wachhalten zwischen Muscheln,
ihn, der Sand ist, als wär er ein Stern in Tränen.

Schweig und spiele, lach den Tritonen,
greif nach der schlafenden Biene im Himmel,
der Stern wacht wie dein Engel bei dir.
Für dich reisen traumwandelnd die Inseln
und schlafen vor Liebe die Ufer.

               *

Du nennst mich Luft...
und die Wetterfahne der Welt gehört deinem Lachen.
Du nennst mich Kuppel...
und ich weiß den unüberwindlichen Grat zu verschweigen.

               *

Wie eine zärtliche Wolke
schläfst du auf meiner Schulter.
Der Regen läuft traurig
über die Fenster der Erde,
der Himmel steht auf den Blättern
und horcht,
und meine Liebe ist so leicht,
daß sie in deinen Schlaf dringt,
ohne dein Licht zu verlöschen.

Wie der Ring,
von Himmel zu Himmel,
läuft heute nacht der Wind.

Dann steht er still
vor dem Haus,
wie das Pferd,
und kniet nieder.

               *

Ich pflücke dir die hohe
Blume
des Himmels,
und sei es mit Tränen.

Aber in meinem Leben bleibt
der Stern deiner Stimme,
dessen Unschuld
mich tröstet.

               *

Du singst in deiner Sprache, die die Vögel erfindet.
Der Himmel in seinem goldnen Käfig,
wie ein nachdenklicher Kanarienvogel,
hört zu.

Du erneuerst die Meere
mit deiner zarten Sprache aus Wolken,
mit deiner Kabbala von Unschuld.

Durch jenes Rohr des Ewigen in deiner Stimme,
durch jene Wurzel von Stammeln,
wuchs die Sprache, die dich singt,
ward der Name des Vogels,
das Herz des Flusses,
der Himmel für den Menschen,
das erste Wort.

Du lehrst mich jetzt
die kaum gelernte Sprache,
die Küsten einer Liebe,
von Gezeiten umspült, die mir gehörten.
Du weckst die Welle am eingeschlafnen Strande,
und meiner Kindheit irdische Brandung im Süd
bringst du zurück
und rettest du für mich.

Wenn ich dem Tod
nach allen Wintern meine Augen gebe,
werd ich in deinen noch die Erde
betrachten, jenseits meines Namens,
und Zeiten sehn die ich nicht füllte,
weiter als mein Gesicht und jenseits meines Raumes.

 

IRDISCHES PARADIES

Ach, dieser ganze schöne Leib
aus Ewigkeit und Traum,
schöne leuchtende Insel,
muß fallen, fallen hin zur Rose.
Kurzer Tag, das Licht hoch, Zeit im Vergehn.
Fallen so wie die Rose die nach Tau
duftet, selig, für einen Tag.
Und dann ...
Rose im Herbst, du, meine Freundin.
Du, Winterrose, meine Taube.
Rose aus Asche du, Geliebte.


Aus: Rose aus Asche, spanische und spanisch-amerikanische Lyrik seit 1900, herausgegeben und übertragen von Erwin Walter Palm, R. Piper & Co. Verlag, München, 1955.